DAW Echtzeitperformance
Irgendwann kommt der Moment, in dem der alte Rechner nicht
mehr genug Leistung hat und ein neues Gerät her muss. Und bei diesem
Audio PC wird alles anders, denn diesmal ist Geld vorhanden. Auch der
Plan könnte kaum besser sein: mit hohem finanziellen Druck möglichst
viel Leistung in das System pressen.
Viel hilft viel, also am besten gleich zwei CPUs mit mindestens zwölf
Kernen pro Stück und RAM ohne Ende in die Kiste packen. Ein erster
Cinebench-Test liefert sensationelle 5.000 Punkte. Da läuft Dir bei dem
Gedanken, gleich zwanzig Instanzen Kontakt gleichzeitig live spielen zu
können, schon das Wasser aus dem Mund aufs Keyboard.
Dumm nur, dass Projekte, die auf dem alten i7 Rechner noch gut
funktionierten, auf der neuen Dual-Xenon-Übermaschine so gar nicht rund
laufen wollen. Obwohl die CPU-Auslastung in der DAW bei gerade mal 25 %
steht, gibt es ständig Knacker, Pops und Tonaussetzer. Kein Wunder,
zeigt die Realtime CPU-Peak-Anzeige doch ständig Overload an.
Aus dem Internet ist zu erfahren, dass sich dieses Problem ganz einfach
durch Erhöhen der Puffergröße des ASIO-Treibers lösen lässt. Und
tatsächlich: Sobald dieser Wert auf 1.024 Samples steht, sind weder
Knacker noch Audio-Aussetzer mehr zu hören und auch das
CPU-Realtime-Peak-Meter dümpelt knapp über zwei drittel vor sich hin.
Problem gelöst?
Nicht ganz, denn wenn man nun auf dem MIDI-Keyboard einen Akkord auf
einem virtuellen Instrument oder mit der E-Gitarre eine
Verstärkersimulation spielen möchte, dauert es gefühlt eine Ewigkeit,
bis etwas aus den Lautsprechern erklingt. Auch bei der Einstellung von
Equalizern, Kompressoren und Effekten vergeht zwischen Einstellung
eines Parameters und dessen hörbarer Änderung zu viel Zeit, sodass es
kaum möglich ist, die Einstellung zu beurteilen. So kann man weder
weitere Spuren einspielen, bearbeiten oder einen Song mischen. Der
neue, teure und technisch eigentlich überlegene Rechner ist eine
einzige Enttäuschung.
Wie kann das sein? Der neue Dual-Xeon-Rechner ist doch fast fünf Mal
schneller als der alte i7. Am Audio-Interface und dessen Treibern kann
es nicht liegen, denn es handelt sich um das gleiche Gerät, das im
alten Rechner anstandslos seinen Dienst verrichtete.
Sonderfall Audio-Echtzeitbetrieb
Im Gegensatz zu den meisten rechenintensiven Anwendungen, wie
etwa Video oder 3D-Rendering, bei denen die absolute CPU-Leistung
zählt, ist im Audio- und Musikbereich die Echtzeitleistung des Systems
entscheidend. Ein Musiker, der in einer DAW via MIDI-Keyboard ein
virtuelles Instrument live zum Playback einspielt, muss die gespielten
Noten unmittelbar im musikalischen Zusammenhang des Playback hören. Es
bringt ihm nichts, wenn die Noten 100 Millisekunden später zu hören
sind, denn besagter Kontext besteht längst nicht mehr. Für ein
menschenwürdiges Arbeiten am Musik-PC sollte diese auch als Latenz
bezeichnete Verzögerung nicht über 8 bis 10 Millisekunden liegen -
weniger ist natürlich immer besser.
Für den Musiker ist also nur die CPU-Leistung interessant, die er
innerhalb dieses Zeitfensters nutzen kann. CPU-Leistung, die nicht in
Echtzeit zur Verfügung steht, verpufft im Audiobetrieb mehr oder
weniger nutzlos. Dabei wären die meisten CPUs tatsächlich schnell
genug, wenn Sie denn störungsfrei arbeiten könnten.
Buffer Size und IRQs
Um zu verstehen, was einen reibungslosen Audiobetrieb in
Echtzeit so schwierig macht, hilft es, den vereinfacht dargestellten
Weg eines Audiosignals vom Eingang des Audio-Interfaces hin zur DAW bis
hin zum Lautsprecher mit allen unterwegs lauernden Stolpersteinen zu
verfolgen.
Nachdem das Audiosignal im Analog-Digital-Wandler des Audio-Interface
in digitale Daten umgewandelt wurde, werden diese erst einmal in einem
Zwischenspeicher (Puffer, engl.: Buffer) abgelegt, bevor sie zur
weiteren Berechnung an die CPU weitergeleitet werden. Diese
Zwischenspeicher sind notwendig, da die CPU trotz schneller Taktung
nicht alle Aufgaben gleichzeitig erledigen kann. Entsprechend werden
diese nacheinander abgearbeitet. Im Audiobereich wird die Größe dieser
Buffer in Samples oder Millisekunden angegeben. Die Zeit, die zwischen
Eingang des Audiosignals am AD-Wandler, der Berechnung durch die CPU
und der Ausgabe am DA-Wandler vergeht, bezeichnet man als Latenz oder
genauer als Roundtrip-Latenz.
Der Treiber des Audio-Interface schickt nun eine Anfrage - IRQ
(Interrupt Request) - an die CPU. Hat die CPU gerade nichts zu tun,
arbeitet sie diese Anfrage ab. Nach Berechnung durch die CPU wird das
Datenpaket wieder zurück zum Audio-Interface geschickt und in einem
Zwischenspeicher abgelegt, bis es schließlich über den
Digital-Analog-Konverter des Audio-Interfaces in ein analoges Signal
umgewandelt wird, dass man über die Lautsprecher hören kann.
Ganz nebenbei muss die CPU aber auch noch alle anderen Aufgaben der DAW
und des Betriebssystems erfüllen. Dazu gehören beispielsweise die
Echtzeitwiedergabe von MIDI-Noten über virtuelle Instrumente, die
Wiedergabe einer Mischung eines Playbacks mit 24 Spuren mitsamt
Equalizern, Dynamikeffekten und Nachhall, aber auch die Bildausgabe via
Grafikkarte, die Überwachung der Position Ihres Mauszeigers und viele
andere lästige Dienste.
Im Idealfall schafft es der Rechner, all diese Prozesse innerhalb oder
unterhalb der eingestellten Größe des Zwischenspeichers zu vollziehen
und reiht kontinuierlich Datenpaket an Datenpaket. Wird die CPU
allerdings von einer Anfrage eines Geräts dauerhaft belegt, etwa weil
der Treiber eines Lan-Adapters miserabel programmiert wurde, fehlt auf
einmal ein Datenpaket und das Audiosignal wird so lange unterbrochen,
bis ein neues Datenpaket anliegt. Das nehmen wir dann als unschönen
Audioaussetzer oder Knacksen wahr.
Deffered Procedure Call
Da die CPU keinerlei Ahnung davon hat, welche der Anfragen zu
einem gegebenen Zeitpunkt wichtiger als andere sind, arbeitet Sie
einfach stur ihre Liste mit IRQs der Reihe nach ab. Egal, wie dringend
die Anfrage des Audio-Interface ist, vorher will der Drucker unbedingt
noch wissen, wie hoch der Tintenfüllstand ist und die Grafikkarte ist
brennend an neuen Treibern interessiert.
Um solche Szenarien zu vermeiden, hat Microsoft den sogenannten
Deffered Procedure Call (DPC) eingeführt. Vereinfacht gesagt,
ermöglicht der Deffered Procedure Call eine Bevorzugung bestimmter
Aufgaben. Dies erlaubt es etwa den Treibern eines Audio-Interfaces,
sich mithilfe des DPC in der IRQ-Liste vor die unkritischen Anfragen
von Drucker und Grafikkarte zu drängeln. So lässt sich sicherstellen,
dass die Datenpakete, die vom Audio-Interface kommen, auch rechtzeitig
bearbeitet werden.
Wie schnell DPCs und IRQs in einem System ausgeführt werden, lässt
daher Aussagen über die Echtzeitfähigkeit und somit der Eignung eines
Systems für den Audiobetrieb zu.
DPC Latenz messen
Wenn Sie überprüfen möchten, wie sich Ihr System in Sachen
DPC-Latenz schlägt, können Sie dies mit der Software Latency Monitor
von Resplendence (www.resplendence.com) relativ schnell und einfach
herausfinden. Installieren Sie Latency Monitor und starten Sie den
Testlauf über die Start-Taste. Falls Ihr System gerade erst gebootet
hat, warten Sie ein paar Minuten, bis alle nach dem Start anfallenden
Aufgaben erledigt sind und alles rund läuft. Achten Sie darauf, dass
kein anderes Programm im Hintergrund läuft, bevor Sie die Messung
starten.
Bereits während der Messung können Sie anhand der Farbe der Messbalken
und dem darüber liegenden Textfeld erkennen, wie es um die
Echtzeitfähigkeit Ihres Systems bestellt ist. Wie immer steht Grün für
die Hoffnung und Rot für Schande.
Nach ca. 3 Minuten beenden Sie die Messung. Im Textfeld wird nun
angezeigt, ob Ihr System echtzeitfähig ist oder nicht. Ist es das
nicht, können Sie unter dem Reiter "Driver" im Detail nachschauen,
welche Treiber für die Verzögerungen verantwortlich sind, indem Sie
nach "Highest ecexution (MS") sortieren.
Wie Sie diese Daten interpretieren und wie Sie weiter vorgehen,
erfahren Sie auf der Resplendence
Homepage, bitte beachten Sie ganz unten die Links mit der Überschrifft
"LatencyMon documentation and articles".
Informationen zu den angezeigten Treibern finden Sie am besten mittels einer Suche im Internet.
Referenzwerte DPC
Ein gut für den Audiobetrieb konfiguriertes System sollte bei
"Highest measured interrupt to DPC latency" den Wert von etwa 100 bis
500 Mikrosekunden nicht überschreiten. Anfragen mit langen
Zeiten können sich in ungünstigen Situationen direkt hintereinander
anstellen.
Leider liegen selbst teure High Performance Workstations von
etablierten Herstellern mit Werten von über 200 bis teils 1.000
Mikrosekunden deutlich darüber. Mit extrem niedrigen DPC-Latenz-Werten
von 5 bis 50 µs sind die Audio Workstations von DA-X einsamer
Spitzenreiter, was auch durch die hervorragende Audio-Performance in
der Praxis bestätigt wird. Diese Spitzenposition wird seit über 15
Jahren regelmäßig durch zahlreiche unabhängige Tests etablierter
Fachmagazine wie etwa CT, Digital Production, KEYS oder Professional
Audio bestätigt.
Die Kunst, einen leistungsfähigen Audio-PC zu bauen.
Trotz moderner Multicore-CPUs und schnellen SSDs ist der
Aufbau eines leistungsfähigen Audio-PCs auch im Jahr 2018/2019 keine
triviale Angelegenheit. Aufgrund der eingangs beschriebenen Eigenheiten
und besonderen Anforderungen, die ein leistungsfähiger Audio-PC
erfüllen muss, stellt auch dessen Aufbau und die Konfiguration des
Betriebssystems besondere Anforderungen an den Hersteller. Aber wo
liegen denn nun genau die Unterschiede zwischen einer
DAX-Audio-Workstation und den Performance-Workstations der
großen/anderen Hersteller?
Hardware-Konfiguration
Die Unterschiede beginnen bereits beim Gehäuse. Ein Audio-PC
sollte so leise wie möglich, das Gehäuse stabil, akustisch gut dämmbar
und frei von störenden Resonanzen im Hörbereich sein. Der CPU-Kühler
und -Lüfter sollten so groß dimensioniert sein, dass eine hohe
Kühlleistung bereits bei niedrigen Drehzahlen und somit niedrigen
Geräuschpegeln erreicht wird. Auch für das Netzteil und alle übrigen
Komponenten, wie etwa Grafikkarte gelten diese Ansprüche:
leistungsstark und dabei leise.
Bei der Auswahl der CPU gilt es, jenes Modell auszusuchen, das im
realen DAW-Betrieb die höchstmögliche in Echtzeit nutzbare Leistung
erzielt. Leider lassen sich aber von der absoluten CPU-Leistung, die
sich gut über den Cinebench Multi-CPU Test ermitteln lässt, kaum
Rückschlüsse auf die reale Audioleistung ziehen. Ein anschauliches
Beispiel hierfür ist der Vergleich der AMD Ryzen 7 1700 CPU, die in
einer Workstation des Autors verbaut ist mit der Intel i7 8086K, die in
einer DAX-Workstation zum Einsatz kommt:
Im Cinebench-Test ist die AMD-CPU zwar ein paar Punkte schneller.
Sobald es aber um Echtzeitleistung im Audiobereich geht, fällt die
Ryzen-Workstation gegenüber der in der DA-X-Workstation verbauten
Intel-CPU deutlich ab. Und dieser Umstand lässt sich eben auf die
Abstimmung der Hardwarekomponenten aber auch auf die eingesetzten
Treiber zurückführen.
Wichtig sind neben der DPC Problematik CPU Modelle mit einer besonders
hohen Taktung und erst dann hoher Anzahl von Kernen.
OS/Software-Konfiguration
Das Ryzen Beispiel zeigt, dass auch die schnellste CPU, der
schnellste Quad-Channel RAM-Speicher und superflinke SSDs ihre Leistung
nicht voll entfalten können, wenn sie von einem schlecht konfigurierten
Betriebssystem ausgebremst werden. Die Liste der potentiellen
Bremsklötze ist lang und hängt nicht zuletzt vom Zusammenspiel der
installierten Hard- und Software ab. Prinzipiell kann jede Hardware,
jeder Treiber, jeder Windows-Dienst oder im Hintergrund laufendes
Programm das System ausbremsen.
Die Kunst einen gut laufenden Audio PC zu bauen, besteht darin,
sämtliche im System installierten Hard- und Software-Komponenten im
Zusammenspiel mit diversen Audio-Interfaces und DAW-Anwendungen auf
optimale Verträglichkeit zu testen. Das beginnt bei der Auswahl des
Mainboards, des RAM, der CPU, Massenspeicher, Netzwerkadapter und
Grafikkarten und setzt sich bei der Konfiguration des BIOS und des
Betriebssystems, des Netzwerkadapters usw. fort. Welches Mainboard ist
am besten für welche CPU geeignet? Ergibt Quad-Channel-RAM bei diesem
System Sinn? Läuft eine M.2-SSD besser als eine PCIe-SSD? Nehme ich als
Library-Speicher eine SSD oder reicht eine konventionelle Festplatte?
Welche Dienste können abgeschaltet werden, ohne dass die Funktionalität
des Betriebssystems leidet?
Klasse statt Masse
Die genannten Schritte sind für große PC-Hersteller in der
Massenproduktion kaum umsetzbar und aufgrund der geringen im
Audio-PC-Markt verkauften Stückzahlen finanziell auch wenig attraktiv.
Die meisten Hersteller von High-Performance-PCs/Workstations sorgen
zwar auf dem Papier für eine schnelle Hardware-Ausstattung, die bei 3D-
und HD-Videoschnitt auch gut funktioniert. Allerdings wird diese in
seltensten Fällen für den kritischen Audio-Echtzeitbetrieb konfiguriert
oder gar optimiert. Ob die Kombination aus Komponenten, Treibern und
dem OS auch wirklich reibungslos und mit niedrigen Latenzen
funktioniert, wird nicht überprüft, geschweige denn garantiert. Das
führt dazu, dass selbst teure, enorm leistungsfähige Workstations
renommierter Hersteller aufgrund der Hard- und Softwarekonfiguration
für den Audio-Echtzeitbetrieb oft ungeeignet sind und die teure
Leistung ungenutzt verpufft.
Mehrwert
Doch im Audiobereich ist genau dieses Wissen bei der Auswahl
der Hardware-Komponenten und die notwendige Erfahrung bei der
Konfiguration des Betriebssystems die eigentliche Leistung des
Herstellers. Neben den Kosten für Hardware und Installation, macht
dieses Wissen einen großen Anteil am eigentlichen Wert einer
Audio-Workstation aus. Digital Audionetworx hat sich dieses Know-how
über Jahre hinweg in aufwändigen Testreihen erarbeitet und beantwortet
diese mit jeder Hard- und Software-Generation aufs Neue.
Als Kunde profitieren Sie bei einer individuell nach Wunsch gefertigten
DAX-Workstation am Ende von einem stabilen, nahezu geräuschlosen und
dennoch gut gekühlten System mit viel CPU-Leistung, die Sie auch
tatsächlich in Echtzeit nutzen können. Eine individuell konfigurierte
DAX-Workstation kostet dabei meist kaum mehr, als die Massenware von
der Stange. Darüber hinaus stellt die zusätzliche in Echtzeit nutzbare
Audioleistung für Sie als Kunden einen nicht zu unterschätzenden
Mehrwert dar, da Sie aus einer preiswerteren Hardware deutlich mehr
Leistung herausholen können.